Fliegen mit Harry Potter – So wird’s gemacht!

Achterbahnen sind unbestritten die Königinnen der Freizeitindustrie, doch der Heilige Gral für die Designer der Freizeitwelten war und ist nachwievor die Themenfahrt. Eine Bötchenfahrt vorbei an winkenden Puppen aus aller Welt kann viel beliebter sein als die Mega-Achterbahn nebenan, nur weil sie das gewisse „Etwas“ hat. Dieses „Etwas“ kann dabei ein besonders gelungenes Thema, ein Ohrwurm-Soundtrack oder einfach eine Technologie selbst sein, welche alles bisher Erlebte in den Schatten stellt. Mit der Eröffnung des Harry Potter-Themenbereiches vor bald drei Jahren im Islands of Adventure-Themenpark der Universal Studios in Orlando geschah genau letzteres: der Stand der Technik, wurde auf ein neues Level gehoben.

Der Harry Potter Themenbereich in Orlando.

Der Harry Potter Themenbereich in Orlando.

Harry Potter And The Forbidden Journey ist das Ergebnis, wenn der Ehrgeiz, etwas noch nie Dagewesenes zu präsentieren primär und das Budget sekundär ist. Wenn schon ein Fahrzeug so viel kostet, wie in anderen Parks ganze Attraktionen, dann muss da auch viel mehr dahinterstecken als bei einer Geisterbahn auf der Dorfkirmes. Was genau, möchten wir euch jetzt mithilfe noch nie gezeigter Computeranimationen etwas genauer erklären. Wer sich die Illusion dennoch bewahren will, sollte nun schleunigst auf unsere Hauptseite zurückkehren und unsere anderen Artikel genießen. Natürlich hat Universal kein Interesse, der Welt die Technik hinter Harry Potters Reise näher zu bringen; immerhin wird die erfolgreichste Attraktion aller Zeiten momentan auch in Hollywood und Japan gebaut. Deshalb gibt es auch kaum Bilder aus dem Inneren der Schlossmauern von Hogwarts, schon gar nicht von der Mechanik hinter den fliegenden Bänken, welche uns Passagiere auf eine Reise durch das Potter-Universum nimmt.

Fliegen mit Harry Potter ist für einmal außerhalb der Träume erlebbar.

Fliegen mit Harry Potter ist für einmal außerhalb der Träume erlebbar.

Beginnen wir also in der Beladestation, dem einzigen Ort, an dem ein bisschen vom Geheimnis gezeigt wird. In der großen Halle fährt mit 1.5 Metern pro Sekunde (5.4 km/h) im Abstand von wenigen Metern eine Sitzbank nach der anderen vorbei. Ein Förderband mit der gleichen Geschwindigkeit erleichtert dabei das seitliche Einsteigen. Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass die Bänke keine Räder haben, sondern an einem schwarzen Arm befestigt, der durch einen Schlitz in der Wand hinter einem riesigen Spiegel verschwindet. Den Blick dahinter ermöglichen wir mithilfe einer stark vereinfachten Computeranimation:

Der schwarze Arm, übrigens war „Project Strong Arm“ der Arbeitstitel der Anlage, ist also Teil eines Schwerlast-Roboters der Firma Kuka, wie man sie eher in einer Automobilfabrik erwartet hätte. Dieser steht im Erdgeschoss und hebt die Sitzbank auf die Ladeplattform im ersten Stock, in dem sich auch der komplette sichtbare Teil der Fahrt abspielt. Insgesamt gibt es auf dem etwa 350 Meter langen Rundkurs 47 solcher fahrenden Maschinen, welche somit eine Art Endlossystem bilden. Jede dieser Roboter ist mehrere Tonnen schwer und wird von einer zentralen Führungs- und Stromschiene durch die Halle gesteuert. Neben der konstanten Fahrtbewegung besitzt das Gefährt vier Möglichkeiten sich zu bewegen, auch „Achsen“ genannt. Diese werden in dieser kleinen Animation kurz demonstriert:

So wurde nun also der komplette Fahrtablauf programmiert, mit der Schwierigkeit, dass die Insassen zu keinem Zeitpunkt einen der anderen Roboter, welche nachwievor dicht nacheinander den Kurs durchfahren, sehen dürfen. Softwaregestütze Sicherheitsbereiche sowie klassische Sensoren achten dabei immer darauf, dass jede Bewegung korrekt ausgeführt wird und führt, wenn nötig, einen Not-Stop herbei, bevor eine der Sitzbänke mit der Thematisierung kollidiert. Der Roboter selbst ist so präzise, dass er seine Bewegungen bis auf einen Zehntel Millimeter genau ausführt, was wohl auch mit der Grund ist, dass die meisten längeren Not-Stops aufgrund sich übergebender Passagiere erfolgen.

Der Vorgänger der fliegenden Bank: G1 Roboter von Robocoaster

Der Vorgänger der fliegenden Bank: G1 Roboter von Robocoaster und Kuka

Keine millionenteure Harry Potter-Attraktion wäre komplett ohne einen Flug auf dem Besen. In Orlando fliegt einfach die ganze Bank in 30 Sekunden langen Filmsequenzen über die Felder von Hogwarts. Doch einfach so vor eine Leinwand fahren und den Film abspielen, funktioniert nicht, da nach sechs Sekunden ja schon wieder die nächste Bank folgt, welche die gleiche Filmsequenz von Anfang an sehen muss. Dafür haben sich die kreativen Köpfe von Universal ein Video-Karussell ausgedacht, bestehend aus sechs Halbkugeln, in denen die Filmsequenzen gezeigt werden. Nun muss man nur noch mit dem Roboterarm in die Kugel schwenken und mit ihr mitfahren, und schon entsteht ein nahtloser Übergang von realer Szene zur Videowand und zurück. Nichts verstanden? Hier das ganze Meisterwerk nochmal bildlich:

Nach exakt 4 Minuten und 40 Sekunden landen wir wieder wohlbehalten in der Einstiegshalle, ein Erlebnis für alle Sinne ist beendet. Somit ist auch unsere Reise am Ende, denn den nachfolgenden Souvenirshop kann sich jeder selbst erklären. Fest steht, dass es für viel Illusion, Erlebnis und Nervenkitzel auch eine Menge Technik benötigt. Die nächste Innovation darf also kommen: na wie wärs, Disney?
Vielleicht seht ihr den nächsten Flug auf den magischen Bänken nun mit anderen Augen. Und wenn ihr nicht alles verstanden habt, macht das auch nichts, denn nichts ist schöner als eine gelungene Illusion.

Bilder: Universal, Robocoaster
Animationen: Airtimers.com

2 Comments

  1. sofabesetzer sagt:

    Vielen Dank für diesen genialen letzten Streich.

  2. Mike sagt:

    Die Flugeinlagen mit dem Besen sind imho der Schwachpunkt der ganzen Fahrt, da sie verwackelt und unscharf wirken und noch dazu selbst bei nicht so empfindlichen Menschen Übelkeit auslösen.